Schleswig-Holsteiner Volksinitiative will gesetzliches Fracking-Verbot durchsetzen
Mit mehr als 42.000 Unterschriften fordert eine Volksinitiative (1) in Schleswig-Holstein ein Verbot so genannten Frackings: Unstrittig zulässige Forderungen wie Haftung für entstandene Schäden oder mehr Befugnisse für Untere Wasserbehörden sollten Mitte März im Landtag behandelt werden. Den wichtigsten Teil aber – ein Fracking-Verbot via Landeswassergesetz – lehnt die Landesregierung bislang ab: Nun ist das Landesverfassungsgericht gefordert.
Das Ziel ist klar: Es gilt, eine Schädigung und Verunreinigung des Trinkwassers durch Erdöl- und Erdgasförderung zu vermeiden – ein berechtigtes Anliegen vieler Menschen, Gemeinden und Initiativen nicht nur in Schleswig-Holstein (2). Es geht um das grundlegende Recht von Mensch und Natur auf sauberes Wasser. Das so genannte Fracking-Verfahren verursacht bekanntlich Risse in Gesteinsschichten mit der Gefahr, dass giftige, salzhaltige, radioaktive und krebserregende Stoffe ins Grundwasser gelangen können. Dieses unüberschaubare Umweltrisiko muss verhindert werden.
Eine Gefährdung ist auch deshalb nicht auszuschließen, weil durch undichte Leitungen der Boden vergiftet werden kann, wie es bereits häufig bei der Erdöl- und Erdgasförderung in Deutschland vorgekommen ist. Mit Fracking ist auch die Entsorgung von belastetem Flüssigkeiten im Boden verbunden, die ein weiteres großes Risiko darstellen. Die Verpressung des Lagerstättenwassers und des Flow-backs kann zudem Erdstöße auslösen.
Die Erschließung von Gas- und Ölvorkommen ist klimaschädlich und erschwert den Umstieg auf regenerative Energien. Es widerspricht den Klimaschutzabkommen und dem Erreichen der vereinbarten Klimaziele. Deshalb muss eine weitere Förderung fossiler Brennstoffe verhindert werden – das gilt auch und vor allem für die Fracking-Technologie, deren großflächiger Einsatz weitere Erdöl- und Erdgaslagerstätten erschließbar macht, die mit konventionellen Methoden unzugänglich bleiben würden.
Da auch der Bundesregierung die Gefahren durch die Fracking-Technologie bewusst sind, wurden bereits 2015 Änderungen im Bergrecht und im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vorgeschlagen und schließlich vom Bundestag nach Befassung im Bundesrat am 2. Februar 2017 im sog. Fracking-Gesetz beschlossen. Es schränkt die Anwendung der Fracking-Technologie ein, um deren Risiken zu minimieren und regelt zudem Haftungsfragen.
Im WHG wurde so genanntes „unkonventionelles Fracking“ in bestimmten Gesteinsschichten und generell im Bereich von Trinkwasser- und anderen Schutzgebieten verboten. Danach wäre Fracking allerdings in den in Schleswig-Holstein vorherrschenden Sandstein- und Zechsteinkarbonat-Gesteinen erlaubt. Die Annahme des Bundesgesetzgeber ist es, dass dieses so genannte „konventionelle“ Fracking, wie es in Schleswig-Holstein schon eingesetzt wurde, nicht so riskant sei (3). Dem widersprechen die „Volksinitiative zum Schutz des Wassers“ (VI Wasser) und die ihr angeschlossenen Bündnisorganisationen. Sie gehen davon aus, dass die Gefahren durch Fracking unabhängig von der Art der Gesteinsschichten und Öllagerstätten bestehen.
Nach bisherigen Umweltgutachten gibt es keine langfristigen Erfahrungen über die Folgen von Fracking und Verpressung von Lagerstättenwasser (Flow-back). Eine Überwachung bisheriger Frackingvorgänge in Deutschland erfolgte weder durch die zuständigen Bergämter noch durch Wissenschaftler. Daher ist mit der Möglichkeit von großflächigen und dauerhaften Verunreinigungen von Grundwasservorkommen zu rechnen, wie es aus den Fracking-Gebieten der USA bekannt ist.
Um das zu verhindern, hat sich in Schleswig-Holstein die genannte „VI Wasser“ mit dem Ziel gebildet, Fracking zu verhindern. Dies kann durch ein Verbot im Landeswasserrecht gewährleistet werden. Es entspricht auch der Landesverfassung, die in Artikel 11 dem Land, den Kommunen und der öffentlichen Verwaltung unter anderem den „besonderen Schutz“ der „natürlichen Grundlagen des Lebens“ auferlegt. Die Bündnisorganisationen, die die „VI Wasser“ initiiert haben, führen seit 2013 eine unermüdliche Auseinandersetzung gegen die vom Umweltministerium erteilte Genehmigung zur Aufsuchung von Ölaufkommen. In vielen Orten Schleswig-Holsteins gab es Proteste gegen die geplanten Ölförderungen, immer wieder wurden die Offenlegung der Fördermethoden und Fracking-Verfahren gefordert und die Rücknahme der Bewilligungen verlangt. Gewarnt wurde vor den Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Schutzgebiete und es wurde darauf hingewiesen, dass neue Ölförderung mit Blick auf den zu erwartenden Klimawandel kontraproduktiv ist. Zudem wurden die Geheimhaltungspolitik der Ölkonzerne verurteilt und die Nichtbeteiligung der betroffenen Kommunen an dem Bewilligungsverfahren bemängelt. Hervorgehoben werden muss ebenfalls, dass sogar die Stellungnahmen des Umweltamtes des Landes wie auch der Kreisumweltämter missachtet wurden.
Die Vielzahl örtlicher Proteste wie auch die Aufdeckung zweifelhafter Fördermethoden der Ölkonzerne zeigten zunächst Erfolge: Unter Hinweis auf derzeitige Unwirtschaftlichkeit des Verfahrens gaben etliche Unternehmen ihre Aufsuchungsbewilligungen zurück oder diese wurden ihnen wegen fehlender finanzieller Mittel entzogen. Auch die jüngsten der 2013 im Auftrag des damaligen Umweltministers Robert Habeck (Grüne) erteilten zwölf Erlaubnisse und Bewilligungen wurden entweder aufgegeben, aufgehoben oder sind ausgelaufen – zuletzt auch die Lizenz für das in internationalen Meeresschutzgebieten liegende Areal Schwedeneck-See vor Dänisch-Nienhof zwischen Eckernförder Bucht und Kieler Förde. Die DEA hatte noch bis kurz vor Auslaufen dieser Lizenz offen gelassen, ob sie eine Verlängerung beantragen werde. Auch die Landesregierung ließ die Öffentlichkeit bis zuletzt im Unklaren über die Situation, obwohl bereits Ende 2016 aufgrund der nicht erfolgten Aufnahme einer Förderung keine Verlängerung der Bewilligung mehr zulässig war. Diesen großen Erfolg von Bürgerinitiativen in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Verbänden versuchten Habeck und die DEA kleinzureden und verwiesen unter anderem auf den derzeit niedrigen Ölpreis.
Mit der Aufhebung der Bergbaulizenzen ist jedoch die Gefahr für Schleswig-Holstein nicht gebannt. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass die Ölindustrie an rund einem Viertel bis einem Drittel der Landesfläche großes Interesse hat (siehe Karte). Nur der entschiedene Widerstand von Bürgerinnen und Bürgern, Umweltinitiativen und Kommunen hindert die Konzerne bisher daran, neue Anträge zu stellen, die jederzeit möglich wären.
Da zu befürchten ist, dass unter anderen wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Bedingungen die Gier nach Ölförderung neu erwachen wird, haben sich die beteiligten Menschen zu einer aufwendigen Unterschriftensammlung in der „VI Wasser“ zusammengeschlossen. Deren eigentliches Ziel – Erhalt und Schutz der Umwelt und insbesondere der Schutz des Wassers – soll mit einer eindeutigen gesetzlichen Regelung für die Zukunft garantiert werden. Dies geht aber nur mit einem Verbot von Fracking im Landeswassergesetz.
Darüber hinaus geht es auch um die demokratische Beteiligung von Gemeinden und Kommunen, um eine Stärkung der Unteren Wasserbehörden sowie um Offenlegung der Produktionsweise, insbesondere wenn eine Schädigung von Natur und Umwelt zu erwarten ist und dies dem öffentlichen Interesse zuwider läuft.
In einem gerade abgeschlossenen Beteiligungsverfahren wurden die unstrittig zulässigen Teile der Volksinitiative von den Verfahrensbeteiligten begrüßt (4). Das Ministerium für Inneres hatte am 29. Mai 2018 die übergebenen Unterschriften der Volksinitiative überprüft und bestätigt, dass das erforderliche Stimmenquorum nach den Vorgaben der Landesverfassung erreicht wurde.
Am 8. November 2018 wurde eine Änderung des Landeswassergesetzes in Bezug auf das Fracking-Verbot abgelehnt, weil dies angeblich nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes gehöre. Bereits am 24. Oktober 2018 hatte der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags dieser Änderung widersprochen – mit der Mehrheit der Regierungskoalition aus CDU, Grünen und FDP und gegen die Stimmen der SPD und des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), der Partei der dänischen Minderheit.
In ihrer Ablehnung einer Änderung des Landeswassergesetzes beruft sich die Landesregierung auf eine angeblich ausschließliche Regelungskompetenz des Bundes. Die „VI Wasser“ bestreitet das und klagt deshalb gegen diese Entscheidung vor dem Landesverfassungsgericht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einem Gutachten bestätigt, dass die Frage der Länderkompetenz offen ist. Damit bietet sich die Möglichkeit, diese Frage durch das Landesverfassungsgericht klären zu lassen. Grundsätzlich steht den Ländern im Bereich des Wassers das Recht zu, abweichende Regelungen zu treffen. Das Verbot von Fracking bezieht sich ausdrücklich auf die Erlaubnis, ein betroffenes Gewässer zu benutzen und durch Förderung von Erdöl oder Erdgas zu schädigen.
Das angestrebte Verbot ist nicht auf Gesteinsschichten und nicht auf Schutzgebiete begrenzt. Es beruht auf der nachweisbaren Erkenntnis, dass sich die Wasserreservoirs unterirdisch vermischen und dass Trinkwasser auch außerhalb von Schutzgebieten gewonnen wird. Die „VI Wasser“ beschränkt ihr angestrebtes Verbot aber ausdrücklich auf Erdöl- und Erdgasförderung, weil bei dieser – anders als etwa bei der Geothermie – die Verunreinigung und Unbrauchbarmachung von Grundwasser in besonderem Maße und großräumig zu befürchten ist.
Von Uwe Stahl*
Anmerkungen:
* Uwe Stahl ist Mitglied bei Attac-Kiel, dem Bündnis Kielwasser und der Arbeitsgemeinschaft „Stoppt Fracking im Großraum Kiel“ und war aktiv an der Gründung der Volksinitiative zum Schutz des Wassers in Schleswig-Holstein beteiligt.
1. Mehr über die „Volksinitiative zum Schutz des Wassers“ im Internet unter www.vi‑wasser.de
2. siehe auch WATERKANT, Jg. 30, Heft 4 (Dezember 2015), Seite 23 f.
3. zur Unterscheidung zwischen „konventionellem“ und „unkonventionellem“ Fracking siehe auch WATERKANT, Jg. 33, Heft 2 (Juni 2018), Seite 31 ff.
4. exemplarisch nachzulesen in den Landtags-Umdrucken 19-2067 (Landesverband der Wasser- und Bodenverbände Schleswig-Holstein) sowie 19-2076 (Landesbeauftragter für Naturschutz); die Dokumente sind abrufbar im Landtags-Informationssystem (http://lissh.lvn.ltsh.de/shlt/start.html).