Aktionen/Ziele
HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZUR VERANSTALTUNG AM 22.01.2015 IN DER PUMPE
Fracking bedroht Kiel und das Umland
Vor dem Hintergrund abnehmender fossiler Ressourcen wird Schleswig-Holstein als erdölreichstes Bundesland immer attraktiver für Erdölfirmen.
Seit dem März 2013 vergibt die rot-grüne Landesregierung Erlaubnisse zur Öl-Aufsuchung und Bewilligungen zur Ölförderung.
Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass die Fracking-Technologie angewendet werden wird. Im Gegenteil: „Welche Förderungstechnik später einmal zur Anwendung kommen kann und soll (…), ist in diesem frühen Stadium selbst den Unternehmen nicht abschließend bekannt.“ schreibt Umweltminister Habeck in einem Brief an die Grünen im November 2014. Also ist immer mit Fracking zu rechnen.
Von dieser Situation ist die Region Kiel voll betroffen: Fast das gesamte Kieler Westufer befindet sich im Aufsuchungsfeld Gettorf, das im Norden an das Bewilligungsfeld Schwedeneck grenzt. Auf dem Ostufer sind die Stadtteile Rönne und Elmschenhagen unmittelbare Nachbarn des Bewilligungsfeldes Preetz, während der Touristenmagnet Laboe neben dem Bewilligungsfeld Prasdorf liegt.
Umweltminister Habeck täuscht die Öffentlichkeit
Seit der Erteilung der ersten Erlaubnis 2013 wird der schleswig-holsteinische Umweltminister Habeck nicht müde zu versichern, die anfängliche Aufsuchungserlaubnis sei nicht mehr als die “Absteckung eines Claims”. Damit sei keinerlei Erlaubnis verbunden, irgendwann nach Öl bohren zu dürfen. Das Öl-Bohren sei erst in der späteren Bewilligungsphase möglich und hätte die Einreichung von Betriebsplänen zur Voraussetzung. Trotz solcher Aussagen hat vor kurzem eine norwegische Firma in der Gemeinde Sterup OHNE Einreichung eines Betriebsplans oberflächennah gebohrt, um nach Anzeichen von Ölvorkommen im Untergrund zu suchen – noch in der Aufsuchungsphase (s. Schleibote, 6.12.14).
Offensichtlich wird die Öffentlichkeit über die tatsächliche Rechtslage getäuscht: Im Bundesberggesetz bilden Aufsuchung und Bewilligung nämlich eine Rechtseinheit. Der Antrag einer Firma muss abgelehnt werden, wenn „überwiegende öffentliche Interessen“ (§11, BbergG) im gesamten Gebiet dem Vorhaben entgegenstehen, z.B. der Grundwasser- und Oberflächenwasserschutz oder der Schutz von Naturschutzgebieten. Dies muss aber unbedingt VOR der Erteilung der Aufsuchungserlaubnis geschehen, denn in der späteren Bewilligungsphase können keine Argumente mehr eingebracht werden, die von Anfang an bekannt waren (§12, BbergG). Da die „überwiegenden öffentlichen Interessen“ normalerweise von Anfang an bekannt sind, bietet das Bundesberggesetz nach Erteilung der anfänglichen Erlaubnis zur Ölförderung eigentlich keine Möglichkeit mehr, der jeweiligen Firma die Erlaubnis noch zu entziehen. So äußerte sich auch der Abteilungsleiter des Landesbergamts, Klaus Söntgerath, auf einer Info-Veranstaltung in Bad Segeberg Ende Oktober 2014: „Ist die Erlaubnis einmal erteilt, ist der Zug quasi nicht mehr aufzuhalten.“ (s. Lübecker Nachrichten, 30.10.14).
Habeck erteilt diese Erlaubnisse nach wie vor. Anstatt die Anträge der Ölfirmen nach einer eingehenden Prüfung der „überwiegenden öffentlichen Interessen“ abzulehnen, wie es die hessische Landesregierung in der Vergangenheit getan hat, wiederholt Habeck seine Auffassung, dass nur eine Änderung des Bundesberggesetzes das Land vor Fracking schützen könne. Dabei ist es von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben, dass seine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesberggesetzes gar kein gänzliches Fracking-Verbot zum Inhalt hatte, sondern nur ein Verbot von „toxischem Fracking in unkonventionellen Lagerstätten“ zur Förderung von Gas. Ein solches Verbot würde Schleswig-Holstein gar nicht vor Fracking schützen, denn hier geht es um konventionelle Lagerstätten und um Öl. Außerdem ist auch nicht-toxisches Fracking mit immensen Risiken für die Umwelt behaftet.
Habecks Bundesratsinitiative ist gescheitert. Das neue Fracking-Gesetz von Wirtschaftsminister Gabriel und Umweltministerin Hendricks wird Fracking in konventionellen Ölfeldern in jeder Form erlauben. D.h., Schleswig-Holstein kann in seinem Kampf gegen Fracking nicht auf Hilfe durch eine neue gesetzliche Regelung auf Bundesebene hoffen. Unser Land muss endlich selbst handeln!
Unsere Forderungen an die Landesregierung und die Kommunen des Aufsuchungsfeldes Gettorf
Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, die bisher ausgeklammerten Spielräume im Kampf gegen Fracking zu nutzen:
– Alle Erlaubniserteilungen, die gesetzwidrig ohne Gemeindebeteiligung erteilt wurden, müssen für nichtig erklärt werden. Die Erlaubnisverfahren müssen neu aufgerollt werden und das Bundesberggesetz ordnungsgemäß angewendet werden. Hessen hat gezeigt, dass Fracking damit ausgeschlossen werden kann. Auch die normale Öl-Förderung ist in einem Land mit nachweislich undichtem Untergrund und mit 1600 teilweise nicht genau lokalisierten Altbohrungen eine große Gefährdung für das Trinkwasser, zumal auch hier das Problem des hochgiftigen Flowback-Wassers und des Freiwerdens von Radioaktivität existiert.
– Über 200 schleswig-holsteinische Kommunen haben beim Landesbergamt Widerspruch gegen die Aufsuchungserlaubnisse und Bewilligungen eingereicht. Wir erklären uns solidarisch mit ihnen.
– Wir fordern die Stadt Kiel wie auch die übrigen Kommunen des Aufsuchungsfeldes Gettorf auf, im Feld Gettorf ebenfalls Widerspruch gegen die gesetzwidrige Erlaubniserteilung einzulegen. Das kostet nichts!
– Wir fordern die Landesregierung auf, dem Beispiel Nordrhein-Westfalens zu folgen und sämtliche Akten der Erlaubnisverfahren zu veröffentlichen!
Herr Albig und Herr Habeck, praktizieren Sie endlich die Transparenz, die Sie im Koalitionsvertrag versprochen haben, anstatt das Betriebsgeheimnis von Ölfirmen zum unantastbaren Heiligtum zu erklären!
(Ankündigungsflyer 15.01.2015, Anja)
Ölförderung in Schleswig-Holstein:
200 Gemeinden im Widerstand gegen Fracking
Am 01.12.2014 lud Minister Habeck Gemeinden und Verbände zu einem Gespräch über bergrechtliche Verfahren und Gemeindebeteiligung ein, nachdem seine auf unseren Vorschlag hin seit Anfang 2014 erfolgte Gemeindebeteiligung erhebliche Fragen aufgeworfen hat. Die gute Nachricht des Tages: Auch das Bergamt (LBEG, Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Hannover) hat inzwischen erkannt, dass das Verwaltungsrecht unseres Landes kein kostenpflichtiges Widerspruchsverfahren vorsieht, so dass die Gemeinden nicht mit Kostenbescheiden durch das Bergamt rechnen müssen, wenn sie förmliche Widersprüche einlegen. Dem auf der Versammlung von zahlreichen Teilnehmern klar erklärten Willen, die Widersprüche aufrecht zu erhalten und auch gerichtlich klären zu lassen, hat dieser Umstand weitere Nahrung gegeben. Der Behauptung des MELUR (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume), die Gemeinden seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht widerspruchsberechtigt, wurde nur von wenigen Anwesenden Glauben geschenkt.
Das Bergamt stellte fest, dass es auch weiterhin nicht in der Lage sein wird, die anhängigen Widersprüche und Anfragen gesetzeskonform innerhalb vorgegebener Fristen zu bearbeiten. Vielmehr nimmt sich die Behörde das Recht heraus, nach eigenem Ermessen eine Prioritätenliste aufzustellen und abzuarbeiten. Damit besteht auch gut zwei Jahre nach den ersten Beschwerden über das LBEG kein nach Recht und Gesetz arbeitendes Bergamt für Schleswig-Holstein.
Die Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager fordert die Rücknahme aller rechtswidrig erteilten Erlaubnisse und Bewilligungen und die Verlagerung des Bergamtes zum LLUR (Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume).
Hintergrund:
Während in NRW bereits Erlaubnisanträge unter Angabe der Feldesgröße und -lage, Antragstellernamen und -datum sowie dazugehöriger Karte online veröffentlich werden, werden in Schleswig-Holstein selbst die zu beteiligenden Gemeinden zur Geheimhaltung aufgefordert und nur gnadenhalber im Erlaubnisverfahren angehört.
Widersprüche und Anfragen der Gemeinden und ihrer Vertreter werden vom Bergamt (LBEG) bisher nicht beschieden oder beantwortet, obwohl in vielen Fällen die dafür vom Gesetzgeber vorgesehenen Fristen bereits lange überschritten wurden. Das LBEG nimmt für sich das Recht in Anspruch, abseits der Gesetzeslage die Bearbeitung anhand einer eigenen Prioritätenliste abzuarbeiten. Um Gemeinden von Widersprüchen abzuhalten, wird sogar rechtswidrig von einem kostenpflichtigen Widerspruchsverfahren gesprochen, obwohl Herrn Brinkmann vom Justiziariat des LBEG bekannt sein dürfte, dass seine Androhung von Kosten unrechtmäßig ist (s. Anlage). Vor diesem Hintergrund war es überfällig, dass Minister Habeck die Gemeindevertreter zu einem Informationsaustausch eingeladen hat.
Inzwischen haben weit über 200 Gemeinden Widersprüche gegen die rechtswidrig erteilten Erlaubnisse und Bewilligungen eingelegt, wöchentlich kommen weitere Gemeinden und Verbände hinzu. Die anwesenden Vertreter der Gemeinden machten deutlich, dass sie ihre Widersprüche aufrecht halten werden und sich gemeinsam gegen das Land organisieren wollen, um genügend Druck aufbauen zu können.
Interessant wurde es bei der Frage, ob mit der Erteilung von Erlaubnissen lediglich Claims abgesteckt werden, wie Minister Habeck stets betont, oder schon tatsächliche (betriebsplanfreie) Aufsuchungshandlungen möglich werden. Hierzu läuft eine seit über einem Monat unbeantwortete Anfrage zu Hubschrauberflügen, die im Feld Rosenkranz-Nord vermutlich bereits mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen den Untergrund nach Kohlenwasserstoffen erkundet haben, ohne dass es ein Betriebsplanverfahren gegeben hätte, an dem die Gemeinden zu beteiligen gewesen wären. Das Bergamt bestritt nicht, dass es derartige Aufsuchungshandlungen bereits gegeben hat, möchte aber in einem elektromagnetische Wellen aussendenden Gerät keine „Maschine“ im Sinne des Berggesetzes erkennen und lehnt deshalb ein Betriebsplanverfahren unter Beteiligung der Gemeinden ab. Dies ist eine der Frage, über die dann ein Gericht zu entscheiden haben wird.
Die Gesetzeslage auf Bundesebene wird Fracking in Schleswig-Holstein nicht verhindern, sondern ausdrücklich erlauben. Wir haben hier kein Gas, sondern Öl, so dass Frackingverbote für Schiefergas nicht greifen werden, während die Ölförderung durch Fracking ausdrücklich erlaubt werden soll. Deshalb müssen alle landesrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Fracking und andere gefährliche Ölfördertechniken zu verhindern.
Der Druck der Bürgerinitiativen hat inzwischen soweit Wirkung gezeigt, dass auch das LBEG jetzt „anfängt darüber nachzudenken“, ob das hochgiftige Lagerstättenwasser weiterhin ohne Vorgabe einer Mindesttiefe unbehandelt wieder verpresst werden darf.
(PR der Bürgerinitiative Stoppt CO2-Endlager vom 3.12.2014)